Politische Kommunikation Die mediale Macht des „Heizhammers“ Inzwischen räumt auch Wirtschaftsminister Habeck ein, dass es Fehler bei der Kommunikation zum Gebäudeenergiegesetz gab. Nun fragt sich: Wie kam es dazu, hätte es verhindert werden können und was lässt sich für die Zukunft daraus lernen? ein Gastbeitrag von Martin Unfried "Habeck will Energie-Stasi einsetzen!" So titelte die Bild-Zeitung am 24. Mai und zitierte damit den Vorsitzenden der Thüringer CDU-Landtagsfraktion, Mario Voigt. Die Schlagzeile stellt den Höhepunkt der Kampagne des Blattes gegen das "Heizungsgesetz" dar. Dass es so weit kam, ist auch ein Hinweis darauf, dass bei der Kommunikation rund um die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes etwas schiefgelaufen war. Und zwar aus der Perspektive eines Ministeriums, das die Gesetzesnovelle mit Blick auf die Anforderungen des Klimaschutzgesetzes und der fossilen Energiepreiskrise der Bevölkerung vermitteln wollte, ohne dabei einen monatelangen Kulturkampf auszulösen. Das ist Robert Habecks Ministerium nicht gelungen. Woran lag es? Zum einen sind ungünstige Rahmenbedingungen zu diskutieren, die eine sachliche Diskussion erschwerten. Zum anderen hätte es Chancen gegeben, die Angriffspunkte zu minimieren, wie Beispiele aus dem Ausland durchaus zeigen. Zunächst: Es ist nicht so einfach zu bestimmen, was mangelhafter eigener Kommunikation geschuldet war und was effizienter Kampagnenarbeit der Gegner. Das betrifft beispielsweise den weit verbreitenden Vorwurf der Opposition, der Gesetzesvorschlag habe die Bürger:innen verunsichert. Die eigentliche Verunsicherung trat nicht unwesentlich durch gewollte Vereinfachungen und teilweise Verzerrungen der Gegner des Gesetzes ein. Das begann mit dem Durchstechen eines ersten, in der Regierung noch unabgestimmten Entwurfes an die Bild. Verbot von Gas- und Ölheizungen suggeriert Sogleich starteten die Springer-Medien Bild und Welt eine massive Anti-Kampagne, die wie der Begriff "Heizhammer" vielen Gegnern als Stichwortgeber diente. Insgesamt entstand durchaus der Eindruck einer gelungenen Oppositionsarbeit. Beispielsweise erreichten es CDU und CSU durch Wortwahl und Vereinfachungen, eine sachliche Informationsvermittlung zu erschweren – mit Worten und Slogans wie "Heizungsverbot", "Heizungshammer" oder "Verheizt nicht mein Zuhause". Dadurch wurde der Eindruck geschaffen, schon nach 2024 seien Erdgas- und Ölheizungen generell verboten, was nie so im Gesetzentwurf stand; da galt Bestandsschutz bis 2045. Zum zweiten wurde von den Gegnern suggeriert, bei einem Heizungsersatz wären Gas- und Ölheizungen pauschal verboten. Auch das stand nicht im Entwurf, da Hybridlösungen beispielsweise auch mit neuen Erdgaskesseln immer noch möglich waren, wenn eben 65 Prozent Erneuerbare erreicht werden. Dennoch gelang es den Gegnern, den Begriff "Heizungsverbot" durchzusetzen, der dann selbst von Qualitätszeitungen aufgegriffen wurde. Später gelang es sogar, die "Verunsicherung der Bevölkerung" als Narrativ zu etablieren, zu dem die bereits erwähnte vereinfachte Kommunikation nicht unwesentlich beigetragen hatte. Klima-Kulturkampf gegen die Grünen Ein weiterer Faktor war die grüne Parteizugehörigkeit des zuständigen Ministers. Kaum vorstellbar, eine von einem CDU-Minister vorgeschlagene Änderung technischer Anforderungen für künftige Heizungen hätte zum Kulturkampf um "Klima-Ideologie" und "Verbotsmentalität" geführt. Immerhin regelte die frühere Heizungsanlagenverordnung seit den 1980er Jahren das Aus für veraltete Technologien. Dass dies bei einem Grünen versucht würde, war zu erwarten – allerdings nicht in der Heftigkeit und Unsachlichkeit. Zur Erinnerung: Im Mai 2021 hatten CDU/CSU und SPD in der großen Koalition noch die Sektorziele im Gebäudebereich verschärft, was zwingend eine Einschränkung des Einbaus fossiler Heizungen erforderte. Trotz der Realität eines unionsgemachten Gesetzes setzte gerade der CDU-Fraktionsvorsitzende und Parteichef auf den pauschalen Ideologie-Vorwurf: "Wir sind grundsätzlich gegen solche Verbotsregelungen", wurde Friedrich Merz von der Zeit zitiert. Auch erweckte Merz, wie Bild und FDP, den Eindruck, die Regelungen seien Ausdruck grüner "Verbotsideologie": Die Grünen fielen zurück in ihre alten Muster, den Menschen ständig bevormundend erklären zu wollen, was sie zu tun und zu lassen hätten, erklärte Merz. Dazu gesellte sich eine weitere ungewöhnliche Rahmenbedingung. Anstatt Streitigkeiten intern zu klären, gehörte die Regierungspartei FDP inhaltlich zum Lager der Opposition, auch in Sachen Unsachlichkeit. Auch FDP-Politiker:innen hantierten mit dem Begriff "Heizungsverbot" und waren nicht bereit, Ziele und Inhalte des Gesetzes öffentlich zu verteidigen. Im Gegenteil: Mit der öffentlichkeitswirksamen Aktionsform "Fragenliste" (77, später 100 oder 101 Fragen an Robert Habeck) wurde in erster Linie suggeriert, der Inhalt des Gesetzes sei sogar dem Koalitionspartner völlig unklar. Fehlende fachliche Kompetenz bei vielen Medien Daneben lancierte die FDP mit "handwerklich schlecht gemacht" eine weitere Formulierung, die es in die meisten Medien schaffte. Politisch dient der Vorwurf als Beweis der Unfähigkeit eines Ministers. Journalist:innen verwendeten das Bild vom schlechten Handwerk ebenso – und meist ohne fachliche Kompetenz, die Behauptung belegen zu können. So ist dies eine weitere Rahmenbedingung im Fall der Kommunikation komplexer, technischer Gesetzesvorlagen: Wenige Journalist:innen lesen oder verstehen diese. Bereits im Rahmen des ersten Referentenentwurfs war beispielsweise eine 40‑prozentige Förderung Teil des Pakets. Die eigentlichen Kosten waren also tatsächlich weit von den behaupteten Horrormeldungen entfernt. Dennoch gelang es den Gegnern, die angebliche soziale Schieflage breit in den Medien zu streuen. Dagegen war auch in den Medien das Bewusstsein der finanziellen Risiken unberechenbarer und explodierender Gaspreise stark geschwunden – gerade durch die großzügige Subvention und Preis-Deckelung dieser Regierung, die damit soziale Härten abfederte. Ironie der Geschichte: Robert Habeck hat recht, wenn er eingesteht, nicht rechtzeitig erkannt zu haben, dass die Krisenwahrnehmung der Erdgasabhängigkeit bereits in den Hintergrund getreten war. Faktisch eine reine Verschiebung der Erneuerbaren-Pflicht Fehlende Fachkompetenz war auch ein Problem bei der Verzahnung mit dem Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung. Diese wurde in den letzten Wochen in vielen Kommentaren als wesentliche Neuerung ausdrücklich begrüßt und wiederum als Versäumnis des Gebäudeenergiegesetz-Entwurfs kritisiert. Allerdings war die Option "Anschluss an ein Fernwärmenetz" in den Entwürfen für das Gebäudeenergiegesetz bereits enthalten. Dafür müsste im Einzelfall jedoch erst mal ein kommunales Wärmenetz existieren. Heute sind lediglich zehn Prozent der Haushalte an Wärmenetze angeschlossen. 2028 werden es nicht viel mehr sein. Der jetzt geltende Kompromiss, nach dem reine Erdgasheizungen so lange eingebaut werden dürfen, bis die Kommunen 2028 eine kommunale Wärmeplanung vorgelegt haben, bedeutet also weniger die in den Medien gefeierte neue Option für Hausbesitzer als eine reine Verschiebung der 65‑Prozent-Erneuerbaren-Verpflichtung. Fazit: Die Bedingungen für eine sachliche Kommunikation und einen fruchtbaren politischen Streit über die technischen und finanziellen Details des Gesetzes waren sehr ungünstig. Das lag nicht zuletzt an der Instrumentalisierung als Kulturkampf gegen "grüne Ideologie", an der Opposition einer eigentlich dem Koalitionsvertrag verpflichteten Regierungspartei und ironischerweise an der staatlich finanzierten Übernahme der Risiken explodierender Gaspreise. Hybrid-Lösungen: Verpasste Kommunikations-Chance Was aber hätten das Ministerium und der Minister besser machen können? Hier hilft ein Blick ins Ausland. In den Niederlanden hatte die Regierung frühzeitig angekündigt, dass 2026 der Einbau von reinen Gasheizungen endet. Öl zum Heizen spielt in dem Land heute schon keine Rolle mehr. Kommuniziert wird in den Niederlanden, dass dann Hybrid-Wärmepumpen zum Standard werden – neben den Optionen vollelektrische Wärmepumpe und Anschluss an ein Wärmenetz. Inhaltlich unterscheidet sich dies nicht wirklich vom deutschen Vorschlag. Merkwürdigerweise wurden die hybriden Lösungen in Deutschland nicht strategisch kommuniziert, obwohl auch sie der vorgeschlagenen 65‑Prozent-Erneuerbaren-Bedingung entsprechen. Eine hybride Wärmepumpe übernimmt Heizung und Warmwasser für die meiste Zeit des Jahres, und nur bei sehr niedrigen Temperaturen springt der Brennwert-Kessel an. Die Kosten sind wesentlich günstiger als für eine Lösung nur mit Wärmepumpe, und der Einsatz im Altbau ist unumstritten. Genauso günstige technische Hybrid-Lösungen mit Luft-Luft-Klimageräten wurden in Deutschland ebenfalls nicht thematisiert. Auch diese Lösungen wären mit Blick auf die Kosten und die Verfügbarkeit gut zu vermitteln. Die "Hybrid-Heizung" hat auch als Kommunikationsstrategie einige Vorteile. Der Kampfbegriff "Heizungsverbot" ist damit entschärft, und "hybrid" klingt auch nach "technologieoffen". Bisher hat sich in den Niederlanden wenig Widerstand gegen die Regierungspläne formiert. Dem deutschen Minister Habeck dagegen gelang es nicht, die 65‑Prozent-Erneuerbare-Regel so zu kommunizieren, dass auch die Möglichkeit der flexiblen Hybridlösung im Vordergrund stand. Das war eine verpasste Chance. Kluge "Lebenszykluskostenbestimmung" im Kanton Zürich Eine zweite Erfahrung aus dem Ausland: Im Schweizer Kanton Zürich stand der Entwurf eines Energiegesetzes sogar zur Volksabstimmung. Dieses brachte 2021 das Aus fossiler Heizungen und wurde mit 65 Prozent Zustimmung von der Bevölkerung angenommen. Beim Heizungsersatz in bestehenden Bauten müssen nach dem nun geltenden Gesetz 100 Prozent erneuerbare Energien eingesetzt werden. Der besondere Kniff ist hier der Zusatz: wenn dies technisch möglich ist und über den ganzen Lebenszyklus höchstens fünf Prozent Mehrkosten gegenüber einem Ersatz durch ein fossiles System verursacht werden. Das nimmt erst mal denen ihr Argument, die den finanziellen Ruin der Hausbesitzer befürchten. Das Gesetz liefert dazu eine standardisierte "Lebenszykluskostenbestimmung" für fossile Heizungen. Und diese Kosten setzen sich zusammen aus den jährlichen Energie- und Betriebskosten sowie den Investitionskosten. Eine solche Berechnungspflicht hätte auch in Deutschland in den allermeisten Fällen gezeigt, dass die nicht fossile Variante über die Laufzeit der Anlage weniger kostet. Vor allem dann, wenn man die bereits vorhersehbaren steigenden CO2-Preise einfließen lässt. Martin Unfried arbeitet an der Universität Maastricht in den Nieder­landen am Institut für grenz­über­schreitende Zusammen­arbeit und Mobilität ITEM. Der studierte Politik­wissen­schaftler wurde als Kolumnist für die Tages­zeitung Taz und andere Medien bekannt. Schlagwörter: Grüne, Bundeswirtschaftsministerium, Klimapolitik, „Heizhammers“, Klima-Kulturkampf, Verbot von Gas- und Ölheizungen, mediale Macht, Gebäudeenergiegesetz, GEG, „Heizungsverbot“ 25.06.2023 | Sonntag | Gastbeitrag für www.klimareporter.de | Politische Kommunikation | Die mediale Macht des „Heizhammers“ | Inzwischen räumt auch Wirtschaftsminister Habeck ein, dass es Fehler bei der Kommunikation zum Gebäudeenergiegesetz gab. Nun fragt sich: Wie kam es dazu, hätte es verhindert werden können und was lässt sich für die Zukunft daraus lernen? https://www.klimareporter.de/gesellschaft/die-mediale-macht-des-heizhammers https://web.archive.org/web/20230625161851/https://www.klimareporter.de/gesellschaft/die-mediale-macht-des-heizhammers http://archive.today/2023.07.01-050951/https://www.klimareporter.de/gesellschaft/die-mediale-macht-des-heizhammers https://oekotainment.eu/archiv/html/die-mediale-macht-des-heizhammers https://oekotainment.eu/20230625a https://oekotainment.eu/userspace/EXT/oekosex/archiv/pdf/20230625klimareporter.de-die-mediale-macht-des-heizhammers.txt