Ein Standpunkt von Martin Unfried Das Ende des Verbrennungsmotors Der Bundesrat will neuen Benzin- und Diesel-Fahrzeugen ab 2030 den Riegel vorschieben – etwa mit Steuern. Autobauer protestieren. Aber die Wahrheit ist: Will man Fahrverbote in Zukunft vermeiden, müssen die Autobauer in wenigen Jahren mit fossilen Neuentwicklungen aufhören. Die beste Lösung wäre ein fester Termin für ein einheitliches Zulassungsende. Mit der Glühlampe hat das geklappt. Der Pariser Klimavertrag zeigt tatsächlich bereits positive Folgen: Einige einfache Wahrheiten können jetzt leichter ausgesprochen werden, sogar das Undenkbare wird denkbar. So lautet eine einfache Wahrheit, dass im Jahr 2050 keine Autos mit Verbrennungsmotoren und fossilen Brennstoffen mehr fahren dürfen. Das europäische und deutsche Klimaziel, bis zu 95 Prozent CO2-Reduktion, ist mit Verbrennern nicht zu schaffen. Das gilt, wie Studien zeigen, auch für Verbrenner mit Biokraftstoffen oder synthetischen Alternativen. Der Verbrennungsmotor ist einfach zu ineffizient, auch und gerade für aufwändig produzierte erneuerbare Kraftstoffe. Die werden eher für den Flug- oder Frachtverkehr gebraucht, in Bereichen, wo Elektrifizierung auch 2050 keine technische Option ist. Überhaupt sind die lokalen Luftschadstoffe der Pkws in den Städten ein ungelöstes Problem und zumindest Diesel-Autos sind schon kurzfristig für den Stadtverkehr keine Option mehr, trotz technischer Verbesserung. Im Vergleich hat die Elektrifizierung des Pkw-Verkehrs mehrere Vorteile, auch wenn manche Umweltschützer daran Zweifel äußern. Ja, im Fall der Akkus sind der Materialeinsatz und das Recycling eine Herausforderung. Und ja, Elektrifizierung bedeutet, dass die Erneuerbaren im Strombereich noch massiver ausgebaut werden müssen. Die E-Technik ist schon serienreif Der Unterschied zum Verbrennungsmotor: Die Techniken des erneuerbaren elektrischen Verkehrs sind heute bereits serienreif, vor allem jenseits der Versprechungen der deutschen Autobauer – siehe aktuell den Hyundai Ioniq. Und die Infrastruktur, nämlich Stromkabel bis in jeden Haushalt, gibt es heute schon. Revolutionär ist sogar die Möglichkeit, den eigenen erneuerbaren Strom zu tanken. Damit werden gerade im ländlichen Raum völlig neue Prosumer-Geschäftsmodelle entstehen. Auch lassen sich Verkehr und Gebäude so koppeln. Systeme, bei denen Autoakkus in intelligente Netze eingebunden sind, werden heute bereits entwickelt. Da erstaunt es, dass in Deutschland die Debatte über das Ende des Verbrennungsmotors erst jetzt beginnt. In Norwegen dachte man schon im vergangenen Jahr darüber nach, wie die Regierung die Rahmenbedingungen so gestalten könnte, dass nach 2025 nur noch elektrische Autos zugelassen werden. Ein Zulassungsverbot für Verbrennungsmotoren beschlossen zu haben, dementierten die Norweger zwar, doch der Geist war aus der Flasche. So hat das niederländische Parlament vor ein paar Monaten mit Mehrheit die Regierung dazu aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, damiat im Jahr 2025 nur noch emissionslose Autos zugelassen werden. Ein Schock nach dem anderen für die Autolobby In diesem Sinne möchte die Grünen-Spitze auf dem kommenden Parteitag die Forderung eines Zulassungsendes von Verbrennungsmotoren im Jahre 2030 verankern. Klingt bei den Grünen natürlich nach politischem Harakiri. Erste Zeitungs-Überschriften deuteten das schon an: "Grüne wollen Benzinautos verbieten". Doch bevor sich nun die anderen Parteien genüsslich an der "Ökodiktaturpartei" abarbeiten konnten, kam für die Autolobby schon der nächste Schocker. Nun wurde selbst ein Beschluss des Bundesrates mit Stimmen von CDU und SPD in Richtung Zulassungsverbot ausgelegt. Das war allerdings eine Spiegel-Online-Ente. Denn gerade der Bundesrat zeigt, dass er sich noch nicht traut die Wahrheit auszusprechen. Er hat keinesfalls ein Zulassungsverbot gefordert, sondern meint die Elektrifizierung auf anderem Wege erreichen zu können. Nämlich mit Abgaben und Steuern, weshalb die Europäische Kommission nun Vorschläge machen soll, damit spätestens ab dem Jahr 2030 in der EU nur noch emissionsfreie Pkw zugelassen werden. Richtig am Bundesratsbeschluss ist, dass es nur europäische Lösungen geben kann und wird. Denn was wenig bekannt ist: die EU-Flottenvorgaben für CO2 weisen bereits den Weg in Richtung Zulassungsende. Auf dem Papier gilt im Moment ein Flottenverbrauch von 130 Gramm CO2 pro Kilometer. Das gesetzte Ziel für 2020 sind 95 Gramm, was einem Verbrauch von 4,1 Litern Benzin und 3,6 Litern Diesel auf 100 Kilometer entspricht. Warum setzt die EU auf Steuern? Zurzeit läuft die öffentliche Konsultation der EU-Kommission zu den Zielen für 2025 und 2030. Es ist naheliegend, dass die Ziele künftig in der Größenordnung von unter 70 Gramm pro Kilometer für 2025 und unter 50 Gramm für 2030 liegen könnten. Besonders wenn es bei der großzügigen Anrechnung bereits angebotener Elektroautos – den sogenannten Supercredits – bleibt. Das bedeutet, dass im Jahr 2030 der Verbrennungsmotor technisch und finanziell – auch mit Blick auf ebenso verschärfte Stickoxidemissionen – keine sinnvolle Option mehr ist. Soll heißen: ein Zulassungsende wäre ein logischer und wichtiger Bestandteil der CO2-Flottenvorgaben der EU, der Planungssicherheit für alle bedeuten würde. Merkwürdig am Bundesratsbeschluss ist der Ruf nach Steuern und Abgaben in der EU. Zum einen braucht es in der EU für eine steuerliche Harmonisierung die Einstimmigkeit der Mitgliedsstaaten – für ein Zulassungsende aber nicht. Zum anderen können gezielte Abgaben auf Benziner und Diesel zwar helfen, insbesondere um den Aufbau der elektrischen Infrastruktur zu finanzieren. Sie werden allerdings kaum die notwendige Beschleunigung bis 2030 auslösen. Hier geht es nämlich um Produktionszyklen. Wenn 2050 keine fossilen Verbrenner mehr fahren sollen und man auf diesem Weg Fahrverbote vermeiden möchte, müssen recht früh massive Anteile von Verbrennern vom Markt genommen werden. Wichtig in der Debatte ist nämlich der Unterschied zwischen Fahrverbot und Zulassungsverbot. Herumeiern beim Zulassungsende schadet Vorreitern Natürlich fahren trotz Zulassungsende auch im Jahr 2040 noch viele Fossile aus der alten Flotte. Wenn zum Beispiel Volkswagen heute einen neuen Benziner entwickelt, dauert das vier Jahre. Der Wagen wird dann von 2020 bis in Jahr 2028 verkauft, sonst rechnen sich die Entwicklungskosten nicht. Und fahren die 2028 produzierten Benziner des Modells dann im Schnitt 13 Jahre, sind wir bereits im Jahr 2041. Möchte man also Fahrverbote in der Zukunft vermeiden, sollten die Autobauer bereits in neun Jahren mit Neuentwicklungen aufhören. Deshalb wäre es im Sinne eines fairen Wettbewerbs besonders wichtig, dass der Termin eines einheitlichen Zulassungsendes für die ganze Industrie bekannt ist, sonst wären die Pioniere im Nachteil. Auch diese müssten dann immer noch in Verbrenner investieren, da die Gefahr groß wäre, dass sonst Mitbewerber versuchen, so lange es geht mit Verbrennern Marktanteile zu erobern. Es gibt interessante Erfahrungen aus anderen Bereichen, unter welchen Umständen sich Zulassungsverbote positiv auswirken. Das Ende der Glühbirne beispielsweise ist industrie- und umweltpolitisch ein positives Beispiel, auch wenn das die breite Öffentlichkeit in Deutschland womöglich nicht weiß. Paris-Vertrag heißt Dekarbonisierung in einer Zeitspanne von 35 Jahren. Da hilft kein Schwafeln. Die Politik muss sich heute auf die "Elefanten im Raum" konzentrieren. Der Verbrennungsmotor ist so ein Elefant des Klimaschutzes. Die Politik muss sein Ende aktiv mit Ordnungspolitik begleiten. MARTIN UNFRIED Erstveröffentlichung: http://www.klimaretter.info/meinungen/standpunkte/22070-das-ende-des-verbrennungsmotors Bildunterschrift: Martin Unfried ist Dozent am Europäischen Institut für Öffentliche Verwaltung im niederländischen Maastricht und Autor mehrerer Kolumnen, darunter der "Ökosex"-Kolumne auf den Blogseiten der taz. Seit Jahresanfang ist er auch an der Universität Maastricht am Institut für grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Mobilität ITEM tätig. (Foto: Molgreen/Wikimedia Commons) 11.10.2016 | Dienstag | Meinung | www.klimaretter.info | STANDPUNKT VON MARTIN UNFRIED | Das Ende des Verbrennungsmotors | Der Bundesrat will neuen Benzin- und Diesel-Fahrzeugen ab 2030 den Riegel vorschieben – etwa mit Steuern. Autobauer protestieren. Aber die Wahrheit ist: Will man Fahrverbote in Zukunft vermeiden, müssen die Autobauer in wenigen Jahren mit fossilen Neuentwicklungen aufhören. Die beste Lösung wäre ein fester Termin für ein einheitliches Zulassungsende. Mit der Glühlampe hat das geklappt. https://www.maastrichtuniversity.nl/news/ontgrenzer-martin-unfried-employed-item https://commons.wikimedia.org/wiki/File:20150606_xl_P1000091-cut_Martin_Unfried.JPG http://oekotainment.eu/archiv/html/das-ende-des-verbrennungsmotors/ http://oekotainment.eu/20161011a/ http://oekosex.eu/userspace/EXT/oekosex/archiv/pdf/20161011klimaretter.info-das-ende-des-verbrennungsmotors.pdf