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Klimabilanz der taz

Deutschland, verflache!

Die Deutschen kaufen so gerne ein wie seit Ende 2001 nicht mehr. Sehr gut! Kauft, Leute, kauft! Kauft euch den geilen Flachbild-Fernseher für die WM! Und kauft euch ein geiles Photovoltaikmodul!


VON MARTIN UNFRIED

Manchmal ist das Leben wie ein Du-bist-Deutschland-Traum: ein Triumph des Willens. Es stimmt nämlich, dass die schönsten Vorstellungen wahr werden können, wenn wir es nur richtig wollen. Das ist das Erhabene an der Parabel der flachen Fernseher.

Es ist eine Geschichte von Egalité und Fraternité. In der klassenlosen Gesellschaft, in der wir nun mal leben, werden alle Brüder und Schwestern (Fraternité) einen flachen Fernseher haben, und zwar bis zur WM oder spätestens bis 2010. Und das theologisch Bemerkenswerte ist, wir begehren sie um ihrer selbst willen. Egal, ob die nun wirklich besser sind als unsere alten röhrenden Hirsche (Egalité). Flache Fernseher sind einfach cool, fett und fettcool! Sie sind ein erneuter Beweis für die Überlegenheit des Kapitalismus: Millionen Fernseher werden in den nächsten Jahren in Europa ausgetauscht. Nicht weil sie kaputt sind, sondern weil sie vom Schlankheitswahn hinweggefegt werden. Natürlich spielen hier auch sexuelle Aufladungen eine Rolle: Flach klingt ein bisschen nach "tiefer legen" oder "flachlegen". Flach ist irgendwie positiv besetzt (flache Ratte), das ist Tiefenpsychologie, weshalb die Flachen weggehen wie warme Semmeln. Und das, obwohl das Fernsehprogramm natürlich nicht weniger flach ist, das Bild kaum besser, weniger Energieverbrauch nicht sicher. Aber wir lieben sie in der Bedeutung von "I love it".

Komm ich zu meinem Nachbarn, zeigt er mir stolz sein Ding mit den Worten: Meiner ist nur fünf Zentimeter! Ganz neue Töne und ganz neue Witzmöglichkeiten! Da frag ich doch meinen Nachbarn nicht, ob sich das rechnet. Niemand wird fragen: Nach wie vielen Jahren hat sich der flache Bildschirm amortisiert? Das wäre absurd bei einem Produkt, dessen Nutzen darin besteht, dass es flacher ist.

Niemand wird warten, bis der Staat 20 Prozent des Kaufpreises übernimmt. Wir wollen flache Bildschirme und die kaufen wir uns natürlich selber. Das ist eine Frage der Konsumentenehre. Und weil wir kaufen, wirft die Industrie die Chinesen an und die flachen Teile werden im Jahre 2008 schon viel billiger sein. Und dann gibt es den Bild-Volxflach-TV und auch die einfachen Leut können sich endlich ein bisschen Flachheit leisten, denn flache Bildschirme sind dann längst ein Menschenrecht in der ersten sogenannten Welt. Aber das stört die Kaufavantgarde nicht, die noch geblutet hat, denn sie erntet für die Investition ja im Hier und Jetzt die neidischen Blicke.

Und was, liebe Gemeinde, lernen wir daraus? Flache Fernseher machen uns Mut. Sie zeigen uns, dass es geht. Wir können die Welt kraft unserer Begierde ein bisschen flacher machen. Und warum, frage ich, gelingt uns das? Weil wir nicht kleinlich danach fragen, was es kostet und was es bringt. Weil wir den Wert an sich erkennen. Das ist die frohe Botschaft: Wir wollen eine Welt der flachen Fernseher, also investieren wir Milliarden. Ganz ohne Vereinte Nationen oder Helsinki Flat TV Screen Protocol.

Was hat das nun - fragen Sie sich - um Himmels willen mit Photovoltaikmodulen zu tun? Viel. Es gilt nämlich dafür zu sorgen, dass das flache Fernsehvirus auch auf andere Dinge überspringt, von denen es heißt, dass sie zu teuer sind, dass es um Amortisation geht, dass es billiger geht, das man sie nicht wirklich lieben könne.

Warum sollten wir nicht auch das Photovoltaikmodul um seiner selbst willen begehren können? Es ist doch auch flach! Guck, wie es erhaben in der Sonne glitzert! Glauben wir doch auch hier fest an die bedingungslose Liebe und Begierde, die nicht fragt nach CO2-Einsparung und "Rettet die Welt"-Gedöns. Denn jeder Hintergedanke an einen echten Nutzen zerstört in der Produktgesellschaft die Magie und ist der echten Liebe abträglich. Wie sagte neulich der Bundespräsident: "Ich wollte, es wäre Frühling in Deutschland und super effiziente Autos wären so begehrt wie flache Fernseher." Ach nein, das war nicht Horst, sondern ich.

27.04.2006

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