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Klimabilanz der taz

21.05.2013 | KOMMENTAR VON MARTIN UNFRIED

Mehr Ordnungsrecht, bitte!

DEBATTE ENERGIEWENDE: Das dänische Öl- und Gasheizungsverbot ist Vorbild: Die Umweltpolitik braucht mehr Vorschriften, der Markt wird es nicht richten

 

Als die Glühlampe durch eine EU-Verordnung schrittweise vom Markt genommen wurde, bebte in Deutschland das Feuilleton: Freiheitsberaubung, eurokratische Ökodiktatur, Quecksilberidiotie. Eine Katastrophe für das Image der EU-Energieeffizienz-Politik. Dabei ist gerade das Glühlampenverbot eine Erfolgsgeschichte. Nicht steigende Strompreise, also Marktsignale, katapultierten die neue LED-Technologie in den Markt, sondern das Ordnungsrecht. Bei steigender Nachfrage und sinkenden Preisen sparen Haushalte und Unternehmen dadurch in Zukunft viel Geld und Strom.

Auch wenn es nicht populär ist, braucht es deshalb mehr Ordnungsrecht. Die dänische Regierung geht hier mutig voran. Sie nimmt schrittweise konventionelle, fossile Öl- und Erdgasheizungen vom Markt, verbietet sie also schlichtweg. Heute gilt das bereits für Neubauten, in wenigen Jahren auch für die Altbausanierung. Dieser Schritt, der in Deutschland kaum kommuniziert wurde, ist eine Energiewende-Sensation.

Jammern über die Ökodiktatur

Der unverschämte Gedanke dahinter ist, dass man Klimaschutz - ebenso wie den Brand- oder Denkmalschutz - in diesem Fall nicht der Entscheidung des Hausbesitzers überlässt. Da drängt sich natürlich sofort die Frage auf, warum das hier, im Mutterland der Energiewende, anders sein soll. Warum soll die deutsche Bundesregierung nicht auch Heizungen verbieten können? Und energiefressende Kühlanlagen? Und den Neubau von Braunkohlekraftwerken?

"Ökodiktatur!", werden FDP und Frankfurter Allgemeine bereits angesichts der Frage rufen. In Deutschland vermag sich die Bundesregierung ja nicht einmal zu dem Verbot der Nachtspeicheröfen durchringen. Nach einer Lobbykampagne großer Energiekonzerne kippte Schwarz-Gelb am letzten Freitag das bereits beschlossene Aus für die Stromfresser, das 2019 den letzten Ofen vom Netz nehmen sollte.

Viele dürfte es überraschen: Das dänische Heizungsverbot ist energiepolitisch nicht weniger spektakulär als die deutsche Energiewende. Die dänischen Pioniere kommen nämlich mit ihrem Signal genau zur rechten Zeit. Der Traum vom Emissionsmarkt und damit deutlichen Preissignalen ist für die nächsten Jahre ausgeträumt. Selbst wenn es in der EU unerwarteterweise doch noch zu einem "Backloading" - also einem vorübergehenden Aus-dem-Markt-Nehmen - von Verschmutzungsrechten kommen wird, muss heute als naiv gelten, wer tatsächlich meint, allein die Preissignale des Emissionshandels verhinderten den Bau von viel zu vielen Kohlekraftwerken.

Schlimmer ist, dass die fehlenden Preissignale bereits dazu geführt haben, dass sogar in relativ klimaschutzfreundlichen Ländern wie Deutschland und den Niederlanden in den letzten kritischen Jahren zu viele neue Kohlekraftwerke gebaut wurden. Nun drückt billiger Kohlestrom die Strompreise, blockiert die Netze und gefährdet Investitionen in Erneuerbare und Effizienz. Womit bekanntlich auch die Energiewende in Deutschland zu kämpfen hat, weil der positive Einfluss der Erneuerbaren und das massive Kohlestromangebot zu sinkenden Preisen an der Strombörse führen.

Glaube an den Markt

Auch hier scheint bis heute der unerschütterliche Glaube an den Markt zu herrschen: Das Zauberwort heißt "Marktintegration" der Erneuerbaren. Das ist ein bisschen aberwitzig, da sich heute an diesem Markt aufgrund der derzeitigen Preisbildung weder neue Erneuerbare noch neue Gaskraftwerke refinanzieren lassen. Dies spricht gerade nicht für Marktintegration, sondern gegen das bisherige Marktdesign und die Überfrachtung der EEG-Umlage mit Ausnahmen. Die ordnungspolitische Umgestaltung des Strommarktes gehört damit zu den wichtigsten Aufgaben der Stromwende - hat aber wenig mit dem oberflächlichen Mantra der "Marktintegration" zu tun.

Angesichts der eher bescheidenen Anreize durch die derzeitigen Preissignale sollten deshalb von einem Bundesumweltminister insbesondere Vorschläge für intelligentes Ordnungsrecht erfolgen. Der jetzige Minister hat sich hier bisher eher zurückgehalten, der Wirtschaftsminister ordnungsrechtliche Ansätze der EU im Effizienzbereich bekämpft. Dabei bedarf es der deutlichen Ansage, wann und wie beispielsweise der Neubau oder Betrieb von ineffizienten Braun- und Steinkohlekraftwerken verboten wird. Und wie die Regierung ordnungsrechtlich den Ausstieg aus der fossilen Wärme im Gebäudebereich einleiten wird.

Auch im Verkehrsbereich

Im Vergleich zum Strom hat hier nämlich die Energiewende noch kaum begonnen. Die energetische Sanierung von Häusern kommt sogar trotz hoher Gas- und Ölpreise nicht schnell genug voran. Das Mieter/Vermieter-Dilemma und anderes beschränken hier bisher den Markt- und Preisanreiz, weshalb die Einführung strengerer Sanierungsvorschriften und Ähnliches auf der Hand liegen.

Auch die deutschen Autofahrer haben sich bisher trotz steigender Spritpreise nicht wirklich von den Spritschluckern, sprich von der eigenen Geldvernichtung, verabschiedet. Warum soll die Zeit nicht reif sein für Tempolimits und strengere Ansprüche an Motoren? Wie verträgt sich dies mit der industriepolitischen Fixiertheit auf die Autoindustrie? Und wie schafft eine Regierung dafür gesellschaftliche Akzeptanz? Diese politischen Aufgaben werden wesentlich schwieriger durchzusetzen sein als der Bau einiger Stromleitungen.

Auch im Bereich der Verkehrs- und Stadtplanung braucht es unbedingt neue ordnungsrechtliche Vorgaben und entsprechende gesellschaftliche Unterstützung. Das könnte etwa ein Ende der teuren Pflicht für Hausbesitzer bedeuten, Parkraum bereitzustellen. Und auch die fahrradgerechte Stadt braucht vor allem neue Bauvorschriften. Wie wäre es mit einer gesetzlich vorgeschriebenen Aufteilung des städtischen Straßenraumes zwischen Auto und Fahrrad? Beispielsweise fifty-fifty. Ordnungsrecht muss nämlich nicht immer langweilig sein. Und das Rauchverbot hat gezeigt, dass manchmal mehr geht, als man denkt. Der Emissionshandel ist tot. Lang lebe das Heizungsverbot!

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Peter Altmaier hat sich beim Ordnungsrecht zurückgehalten, Philipp Rösler Ansätze der EU im Effizienzbereich bekämpft
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MARTIN UNFRIED